René Apel - Ihr Wegbegleiter
Trainer, Coach & Business Consultant - systemisch digital & mit system digital

Blog - systemisch & digital 


Neueste 5 Einträge

  • Homeoffice - Lotse in stürmischer See
  • Selbstorganisation im Homeoffice - neue Strukturen braucht das Land
  • Gelber Schein 2.0 - Homeoffice
  • Vertrieb auf Distanz - die neue Herausforderung?!?
  • Schatten kann nur entstehen, wo auch Licht ist. Was uns der Corona Schatten lehrt….

07.09.2020

Homeoffice - Lotse in stürmischer See

Alle Statusanzeigen stehen auf grün. Alle bis auf eine. Dort blinkt das Licht auf meinem Bildschirm schon seit einigen Minuten gelb. Alle anderen Kollegen scheinen „online“ und ihren Job zu machen. Doch nicht so mein „Problemkind“. Im Büro war sie schon immer mein „Sorgenkind“, wirkte oft abwesend und verließ ständig Ihren Arbeitsplatz, weil sie mal dringend was erledigen musste. Oft lief sie dann mit ihrem Handy am Ohr den Gang vor dem Büro auf und ab, manchmal sah ich sie auch aus dem Fenster auf dem Gehweg ihre Runden ziehen.
„Es sei alles okay“, sagte sie, als ich sie in einem Vier-Augen-Gespräch darauf angesprochen hatte. Sie würde ja trotzdem ihre Arbeit schaffen und sogar in vielen Bereichen schneller als die anderen Kollegen sein. Und das stimmte auch. Sie war schnell. So schnell, dass ich mir schon wieder Sorgen um die Qualität Ihrer Arbeit gemacht habe. Doch auch meine spontanen Stichproben waren qualitativ okay.
Auch wenn ich in den Momenten, in denen sie sich vom Arbeitsplatz entfernte, ihre Unterlagen kurz überprüfte, fand ich keine Fehler, keine Schludrigkeit. Das hat mich immer wieder beruhigt und dafür gesorgt, dass ich auch den anderen Kollegen gegenüber die kritischen Fragen nach ihrer Arbeitseinstellung und Arbeitsleistung mit ruhigem Gewissen abbügeln konnte.
Wenn ich sah, dass die Anderen wieder in Grüppchen zusammen standen und über ihr ständiges Verlassen des Arbeitsplatzes gesprochen haben, konnte ich eingreifen und dafür sorgen, dass sich keine Allianz gegen sie bildete. Sie wäre sonst sicher schon lange ein weiteres Mobbingopfer geworden. So konnte ich das aber bisher vermeiden.

Ihr Licht blinkt noch immer gelb. Nicht mehr lange und es würde auf rot umschalten und dann wäre sie „offline“. Ich kann mir vorstellen, wie jetzt schon die WhatsApp-Chats getippt werden und wie sie sich die Finger wund tippen, dass sie wiedermal nicht am Platz ist und jetzt völlig außer Kontrolle gerät. Aber wie sollte ich das verhindern? Sowohl, dass sie sich wieder ständig vom Arbeitsplatz entfernt als auch das, dass sich die Kollegen jetzt gegen sie verbünden. Eine Kollegin hat sich neulich schon mir gegenüber geäußert, dass die Stimmung umkippen würde, dass sich viele darüber beschwerten, dass sie ständig nicht am Platz sei, man sie ständig nicht erreichte, ihre Anrufe ständig in die Warteschlange liefen und damit die Statistiken vermiesten.
Als sie alle noch vor Ort waren, konnte ich sie „einfangen“, konnte ich dafür sorgen, dass sie sich nicht immer mehr auf sie einschossen. Doch jetzt? Jetzt bin ich taub und blind. Ich kann nur noch reagieren, wenn es zu spät ist.
Als wenn das nicht schon reichen würde, gibt es da auch noch die beiden Kollegen, die schon im Büro immer wie „Siamesische Zwillinge“ zusammen gehockt haben. Die waren früher auch schon früh im Büro und keiner wusste, was sie den ganzen Morgen machten. Ihre Arbeitszeit lief teilweise schon ab 06:30 Uhr und es hieß, sie würden die Zeit nur nutzen, um Kaffee zu trinken und über das Konsolengame zu reden, das sie beide „zockten“. Jetzt waren sie teilweise schon ab 06:00 beruflich „online“. Immer beide zusammen. Immer beide zur gleichen Zeit. Und es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass sie  ihre Nutzerdaten ausgetauscht haben und einer von beiden, beide Profile anmeldet und dann „arbeitet“, während der Andere bereits auf der Konsole zockt. Zweimal habe ich es getestet und habe beide um 06:45 ohne Vorankündigung angerufen. Beide sind ran gegangen und konnten glaubhaft berichten, woran sie gerade arbeiteten. Beide behaupteten auch, zu Hause zu sein und einfach im Homeoffice nicht so lange schlafen zu können und deshalb so früh schon zu arbeiten. Außerdem sei es momentan ja auch so heiss, da wäre man froh, wenn man früher ins Freibad könne.
Tja, und somit machten sie natürlich auch früh Feierabend und „haben noch etwas vom Tag“.  Doch dann gibt es da ja die Spätaufsteher, die erst nach 10:00 Uhr mit der Arbeit beginnen und dafür auch mal bis 19:30 Uhr oder länger arbeiteten. Und natürlich erwarteten die auch, dass man als Chef auch nach 19:00 Uhr noch für Ihre Themen als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Schließlich sei doch genau dafür die Arbeitszeitbandbreite damals eingeführt worden, sagen sie.

Man fühlt sich als Führungskraft so unglaublich hilflos, wenn man nicht mehr die Kontrolle hat. Klar, es hieß in den Workshops und Seminaren ja schon lange, dass Führung nicht aus „Kontrolle“ bestehe sondern aus Inspiration, Motivation und davon, „Visionen“ zu haben und die Mitarbeiter nicht ständig zu kontrollieren, sondern ihnen zu vertrauen. Pah, die Coaches und Trainer, die das forderten, waren ja selber keine Führungskräfte. Offensichtlich auch mit guten Gründen.
Und als ob das in diesen Zeiten nicht schon schwierig genug wäre, beginnt am kommenden Monatsanfang auch noch eine neue Kollegin in meinem Team. Der Personalbereich hat mir eine freundliche Email geschickt mit dem Betreff: „So gelingt das Onboarding auch im Homeoffice“. Sehr witzig. Was habe ich in mich hinein gelacht. Ein PDF-Dokument war als Anhang dabei. Genau eine DIN A4 Seite. Ich habe es ausgedruckt. Ein „Leitfaden zum Onboarding“. Und jeder, der sich mit dem Begriff etwas genauer auseinander gesetzt hat, der wird merken, dass man niemanden an Board nehmen kann, wenn man selber nicht „an Board“ ist und eigentlich die ganze Mannschaft nur einzeln in Beibooten neben dem großen Boot her rudert und sich über Megaphone austauscht. Ja, das trifft es schon ganz gut. Wir sitzen alle in Beibooten, halten Abstand voneinander, haben nur die Megaphone und müssen trotzdem das große Schiff auf Kurs und in Bewegung halten….

Führung auf Distanz gibt es als Thema ja schon lange, z.B. im Aussendienst. Doch plötzlich sitzen auch Teams im Homeoffice, die dafür gar nicht vorbereitet sind, die sich dafür nicht selber entschieden haben.
Als Führungskraft wird man wie bei einer Evakuierung eines sinkenden Schiffs einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Mit dem einen wichtigen Unterschied, dass man das Schiff nicht aufgibt sondern trotzdem noch zügig und zielgenau manövrieren soll. Auch das ist möglich, auch dies schafft ein guter Kapitän, wenn man ihm vertraut und er die Fähigkeiten hat, ein Team auch auf große Entfernung zusammen zu halten und zu motivieren…..so er denn das nötige Handwerkszeug von seiner Reederei erhalten hat.

Ich höre momentan von vielen Gesprächspartner, dass das mit dem Homeoffice schon gut in den Betrieben läuft und sie sich gar keine Sorgen darum machen und sich auch nicht wirklich darum kümmern. Aus meiner Beobachtung stellt dieses Vorgehen ein enormes Risiko dar. Kaum ein Unternehmer würde einen neuen Unternehmensstandort mit neuen Arbeitsabläufen aufbauen und die Mitarbeiter dann nicht im Alltag bei der Gewöhnung begleiten, denke ich. Doch die Etablierung vom Homeoffice soll quasi „on the go“ erfolgen. Wir werden sehen, welche Mitarbeiter oder Teams das schaffen und bei welchen das Risiko nur nicht erkannt wird, weil die Kapitäne sich darauf verlassen, dass das Schiff schon durch die Untiefen kommen wird anstatt das Sonar anzuwerfen.

Wie wahrscheinlich ist es in Ihrem Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter einen großen Teil des Strecke weiter im Beiboot bleiben? Und vertrauen alle darauf, dass das große Schiff noch auf Kurs ist? Trotz der stürmischen Zeiten zur Zeit? Und wie unterstützen Sie Ihre Führungskräfte? Und wie muss sich die Unternehmenskultur noch verändern, damit die Mitarbeiter an den „Rudern“ in den „Beibooten“ bei Laune gehalten werden und vor allem nicht den Blick für den richtigen Kurs verlieren? Haben Sie eine passenden Strategie dafür schon entworfen um sicher durch die Untiefen zu gelangen?

Manchmal braucht es doch den Lotsen, um ein Schiff durch unsichere Fahrwasser zu lotsen. Eben ein Wegbegleiter…..

Admin - 15:56:15 @ Allgemein, Digitalisierung, Führung, Kommunikation, Teambildung | Kommentar hinzufügen


 
 
 
 
E-Mail
Anruf
Karte